Wissenswertes rund ums Risikomanagement
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- Definition der Begriffe "Risiko" und "Ungewissheit"
- Risikokosten in der Kalkulation
- Die einzelnen Risikokosten-Bestandteile
- Anmerkungen zur Praxis
Einleitung
„Kein Gewinn ohne Risiko.“ Pinnells (2007) |
Das Risikomanagement auf Projektebene nimmt insbesondere im Planungsprozess und der Projektsteuerung eine immer wichtigere Rolle ein, dessen sich die Unternehmer bis heute aber nicht bewusst sind, obwohl vielfach in der Literatur auf die hohe Bedeutung des Risikomanagements hingewiesen wird. Als Beispiel hierfür seien die folgenden Aussagen aus der Fachliteratur chronologisch aufgeführt:
„It [the paper] concludes that risk management is essential to construction activities in minimizing losses and enhancing profitability.” Akintoye (1997), Risk analysis and management in construction |
„Das Beherrschen des Baurisikos ist zum zentralen Erfolgsfaktor für Bauunternehmen geworden.“ Meinen (2004), Qualitatives Risikomanagement in der Bauwirtschaft |
„Nicht erkannte oder falsch eingeschätzte Risiken können grosse finanzielle Verluste bedeuten und stellen dabei eine teilweise existenzbedrohende Gefahr für diese Unternehmen dar.“ „Systematisches Risikomanagement ist unerlässlich.“ Busch (2005) |
„Bauunternehmen müssen insbesondere ihre Fähigkeiten bei der Identifikation und Quantifizierung von Risiken verbessern und die Instrumente schaffen, um den Umfang der Risiken – ausgedrückt durch die Risikokosten - im Rahmen der Kalkulation zu berücksichtigen. Oepen (2012), Risikoorientierte Bauprojekt-Kalkulation |
Das Thema Risikomanagement ist für eine erfolgreiche Projektakquise und Projektabwicklung ein sehr wichtiger Aspekt, jedoch wird es in der Baupraxis weder effektiv praktiziert noch mit dem Vertragspartner richtig kommuniziert. Nachfolgend finden Sie einige wissenswerte Aspekte zum Thema "Risikomanagement" aus der Sicht der Projektakquise.
Definition der Begriffe "Risiko" und "Ungewissheit"
In einem Angebot kann generell unterschieden werden zwischen sicheren und unsicheren Annahmen. Die unsicheren Annahmen können differenziert werden zwischen "Risiken" und "Ungewissheiten".
Quelle: eigene Darstellung
Definition des Begriffs "Risiko"
Die Herkunft des Begriffes "Risiko" ist nicht eindeutig und lässt sich aus vielen Sprachen ableiten. Nach dem ableitenden Wörterbuch der deutschen Sprache leitet sich das Wort vom italienischen Begriff "rischio" mit dem Bedeutungsinhalt "Klippe" oder "Gefahr" ab. Dieser Begriff hat wiederum seine Wurzeln im lateinischem Wort "resicum", das auf das altgriechischem Wort "Rhiza" zurückzuführen ist und "Stein" bzw. "aus festem Land gehauen" bedeutet, was wiederum die Klippe darstellt.
In der heutigen Literatur - wie auch im Sprachgebrauch - gibt es immer noch viele unterschiedliche Definitionen des Begriffes "Risiko". Alle haben gemeinsam, dass sie eine in der Zukunft liegende Entwicklung einzuschätzen versuchen.
„Ein Risiko ist ein (Wert-)Objekt, das einer potenziellen zukünftigen Wertveränderung unterliegt (bezogen auf einen vorgegebene Zeitraum oder eine vorgegebene Entscheidungssituation). Die Wertveränderung (und damit das Risiko selbst) wird beschrieben durch eine Zufallsvariable bzw. deren Wahrscheinlichkeitsverteilung ..." Cottin u. a. (2009) |
Für den Begriff "Risiko" gibt es im Wesentlichen zwei Definitionen, die sich wie folgt darstellen:
Definition 1:
„Unter Risiko wird die Möglichkeit verstanden, dass eine Handlung oder Aktivität mit nachteiligen Folgen verbunden ist, die zu körperlichen oder materiellen Schäden führen." Drees/Paul (2006) |
In dieser Definition wird der Begriff "Risiko" ausschließlich mit "nachteiligen Folgen" und "Schäden" in Verbindung gebracht. "Risiko" steht insofern nur für "Gefahren" und beinhaltet keine "Chancen"; eine im allgemeinen Sprachgebrauch durchaus häufig zu findende Vorstellung, da mit dem Wort "Risiko" zumeist Negatives assoziiert wird.
Quelle: eigene Darstellung
Definition 2:
"Unter Risiko versteht man die Möglichkeit, dass die durch eine Entscheidung ausgelösten Abläufe nicht notwendigerweise zum angestrebten Ziel führen und es zu negativen oder positiven Zielabweichungen kommt. Risiko lässt sich durch die Bestimmung von Tragweite und Eintrittswahrscheinlichkeit quantifizieren" Stempowski (2002), Risikomanagement |
In diesem Sinne ist "Risiko" als ein neutraler Begriff zu verstehen. Mögliche positive Abweichungen stellen Chancen dar, die, wenn sie sich realisieren, als Erfolg bezeichnet werden. Negative Abweichungen werden dagegen als Gefahren bezeichnet, die im Eintrittsfall zu Schäden führen. Der Risikobegriff steht neutral darüber. Diese Umschreibung des Wortes "Risiko" findet sich etwa im (Glücks-)Spiel, bei Kapitalanlagen oder auch im "unternehmerischen Risiko" wieder, also dort, wo das Risiko nicht nur negative, sondern auch positive Werte annehmen kann.
Quelle: eigene Darstellung
In der Literatur und im Sprachgebrauch wird nicht immer exakt zwischen "Risiko" und "Gefahr" unterschieden bzw. der Begriff "Risiko" mit dem Begriff "Gefahr" gleichgesetzt.
Andere Untergliederungen des Risikos sind wie folgt:
- symmetrische Risiken und
- asymmetrische Risiken.
Oder aber Untergliederung in:
- reine Risiken und
- spekulative Risiken.
Handelt es sich um ein symmetrisches Risiko, so können infolge des Risikos sowohl Chancen als auch Gefahren auftreten. Bei einem asymmetrischen Risiko berücksichtigt dieses entweder nur eine Chance oder nur eine Gefahr.
Ein reines Risiko erfasst ausschließlich Gefahren und kann insofern auch als ein asymmetrisches Risiko mit einer Zielabweichung in negativer Richtung bezeichnet werden. Ein spekulatives Risiko dagegen berücksichtigt sowohl negative als auch positive Abweichungen von einem Zielwert.
Diese Risikobegriffe lassen sich wie folgt darstellen:
Quelle: Busch (2005)
Sonstiges zum Risiko:
- Der Risikobegriff steht immer mit einem Ereignis in der Zukunft in Verbindung, das eine Unvorhersehbarkeit aufweist.
- Ein Synonym für den Begriff "Risiko" ist das Wort "Wagnis". Dies wird insbesondere im unternehmerischen Bereich anstelle des Begriffes "Risiko" verwendet.
- Ein wichtiges Merkmal eines Risikos ist ferner, dass für ein Risiko die Tragweite (T) und die Wahrscheinlichkeit (W) angegeben werden kann. Die Risikokosten errechnen sich aus dem Produkt beider Werte:
R = W x T
Anmerkung: Die Berechnung des Risikos auf diese Weise setzt allerdings voraus, dass sich eine genügende Anzahl von zufälligen Ereignissen unter stets gleichen Bedingungen finden und eine statistische Regelmäßigkeit gegegeben ist (Grundvoraussetzung für das Kolmogorowsche Axiom). Im Bauwesen führt dies hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeiten jedoch zu erheblichen Schwierigkeiten, da vergleichbare Ereignisse in genügender Anzahl kaum zur Verfügung stehen. Ereignisse im Bauwesen lassen sich i. d. R. nicht reproduzieren.
Definition des Begriffs "Ungewissheit"
Die "Ungewissheit" ist ein kaum bis gar nicht geläufiger Begriff in der Baupraxis. Sie stellt neben dem bekannten "Risiko" jedoch eine weitere wichtige Größe im Risikomanagement dar. Kulkarni umschreibt die "Ungewissheit" wie folgt:
"When the probability distribution of an outcome is unknown, it is termed uncertainty as against risk where there exists precise definitions of probability distribution of an associated event. … This in turn means uncertainty exists when the consequences of an event can not be clearly quantified." Kulkarni (2002) |
Eine etwas präzisere Definition der "Ungewissheit" findet sich bei Smith:
"Uncertainty can be regarded as the chance occurrence of the same event where the probability distribution is genuienely not known. This means that uncertainty relates to the occurence of an event about which little is known, except the fact that it may occur. Those who distinguish uncertainty from risk define risk as being where the outcome of an event, or each set of possible outcomes, can be predicted on the basis of statistical probability." Smith (2006) |
Von Ungewissheiten wird gesprochen, wenn zu einem Ereignis in der Zukunft keine Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmt werden kann bzw. wenn die Auswirkungen eines zukünftigne Ereignisses nicht quantifiziert werden können. Es wird dabei unterschieden zwischen:
- partielle Ungewissheit, bei der entweder die Wahrscheinlichkeit oder die Tragweite unbekannt ist:
R = ? x T evtl. auch R = W x ?
und - volle Ungewissheit, bei der sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die Tragweite unbekannt sind
R = ? x ?
Ungewissheiten sind, auch wenn sie nicht quantifiziert werden können, gleichwohl Teil des Risikomanagements und müssen in diesem Berücksichtigung finden. Risiken, die nicht erkannt oder berücksichtigt werden, bleiben als Ungewissheiten trotzdem in Projekt bestehen. Ungewissheiten sollten, da sie sich nicht einkalkulieren lassen, vertraglich behandelt werden.
Zusammenfassende Darstellung von Risiken und Ungewissheiten
Über den Projektverlauf lassen sich Gewissheiten und Ungewissheiten wie folgt darstellen.
Quelle: eigene Darstellung
Vom Stadium voller Ungewissheit in der Phase der Projektinitiierung wird über ein Stadium mit diversen Risiken und Ungewissheiten während der Projektausführung das Stadium der vollen Gewissheit am Projektende erreicht. Dies resultiert daraus, dass im Projektverlauf immer mehr Entscheidungen getroffen werden und sich die Summe der Risiken und Ungewissheiten damit verringert, weil sich diese entweder realisiert haben oder nicht mehr auftreten können. Dadurch nimmt die Einflussmöglichkeit des Risikomanagements im Projektverlauf ab. Den größten Einfluss hat das Risikomanagement immer am Beginn eines Projektes. Smith stellt diesen Sachverhalt wie folgt dar:
Quelle: angelehnt an Smith (2006)
Aus der Sicht des Kalkulators lassen sich die Risiken wie folgt gliedern:
Quelle: eigene Darstellung
Risiko und Ungewissheiten können ganz allgemein wie folgt definiert werden:
- Risiken existieren, wenn zu einer Entscheidung mehrere Ergebnisse möglich sind, die je mit einer Wahrscheinlichkeit und einem maximalen Schadensausmaß belegt werden können.
- Ungewissheiten existieren, wenn es zu einem Ereignis mehrere mögliche Ergebnisse gibt, die nicht mit einer Wahrscheinlichkeit oder einem maximalen Schadensausmaß belegt werden können.
Bestandsgefährdende Risiken bzw. Ungewissheiten
Das KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) sieht vor, dass das Risikomanagement eines Unternehmens insbesondere die bestandsgefährdenden Risiken bzw. Ungewissheiten frühzeitig aufdecken muss. Das Ziel des KonTraG ist es also, nicht alle, sondern nur schwerwiegende Risiken zu erkennen, die das Unternehmen als ganzes in seiner Existenz gefährden könnte.
Bestandsgefährdend sind jene negative Risiken, die im Falle der Verwirklichung dazu führen, dass das Unternehmen Insolvenz anmelden muss. Die Insolvenz tritt ein, wenn das Unternehmen entweder zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Die Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen (Schuldner) nicht in der Lage ist, seine laufenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen bzw. seine Zahlungen einstellt (§ 17 InsO). Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit, bei der das Unternehmen (Schuldner) voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seinen bestehenden Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen (§ 18 InsO), ist eine Insolvenzmöglichkeit. Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Unternehmens (Schuldners) die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 InsO) bzw. wenn das Eigenkapital durch Verluste soweit aufgezehrt wurde, dass das Fremdkapital das Vermögen übersteigt.
Quelle: Göcke (2001)
Für das Risikomanagement auf Projektebene bedeutet dies, dass innerhalb der Projekte Ausschau gehalten werden muss nach Risiken oder Ungewissheiten, die alleine für sich oder in Summe mit anderen Risiken und Ungewissheiten soweit nach oben "durchschlagen" können, dass das Unternehmen gefährdet wird.
Besondere Gefahren gehen dabei von Projekten aus, die einen großen Teil des Umsatzes ausmachen und einen übermäßigen Teil der Ressourcen des Unternehmens binden (Kapazitätsrisiko). Die Konzentration auf einen einzigen Kunden bzw. auf einen einzigen Auftrag geht mit einer sehr großen Gefährdung einher. Bei solchen Großprojekten hat das Risikomanagement auf Projektebene, wie aber auch auf Unternehmensebene eine ganz besondere und wichtige Bedeutung.
Risikokosten in der Kalkulation
In der Kalkulation sind an verschiedenen Stellen Risikokosten zu berücksichtigen. Wie diese Risiken erfasst werden, ist je nach Literaturquelle (Autor) bzw. Anwender (Kalkulator) ganz unterschiedlich. Aus der folgenden Darstellung wird ersichtlich, wie die Berücksichtigung der Risikokosten ursprünglich angedacht war bzw. wie sie heute laut Lehrbuch berücksichtigt werden. In der Praxis werden die Risikokosten dagegen häufig weit weniger stark differenziert erfasst.
Quelle: eigene Darstellung
Die KLR Bau - das Standardwerk für die heute im Bauwesen üblichen Kalkulationsweisen - stellt die Risikokostenansätze noch anders dar. Gralla bezieht sich in seiner Darstellung der Risikokosten auch nicht auf die KLR Bau, sondern lehnt sich an die ursprünglich angedachte Risikoerfassung des Ribau und an der von Opitz an.
Die präziseste Kosten- und Risikostruktur ist jedoch nach Opitz gegeben, die aber auf Grund von Verordnungen der damaligen Zeit so nie zur Anwendung kam. Aus Sicht des Kalkulators fehlt ihr lediglich ein Risikokostenbestandteil bei den EKT, der bereits zuvor vom Ribau angedacht war und auch von Gralla berücksichtigt wird.
Hilfreich bei der Strukturierung der Risikokosten im Bauwesen kann auch - in Anlehnung an das Bankenwesen - die Untergliederung der Risikokosten nach erwarteten Verlusten, statistischen Verlusten und Stress-Szenario-Verlusten sein.
Die erwartete Verluste sind Risikokosten, die sich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit einstellen werden. Insofern können sie als Risiken bereits eliminiert und stattdessen besser als feste Kosten eingeplant werden. Erwartete Verluste können auch als Rückstellungen für zukünftige Kosten angesehen werden.
Die statistischen Verluste ergeben sich aus einem historischem Rückblick auf bestimmte Risiken (z. B. Sparten-/Branchen- oder Unternehmensrisiko).
Die Stress-Szenario-Verluste ergeben sich aus der Betrachtung extremer Situationen in einem Projekt. Da jedes Projekt in einigen Bereichen Einmaligkeitscharakter hat, können über Szenarien die Auswirkungen besonderer Projektumstände (wie z. B. Schlechtwetter, Hoch- und Niedrigwasser, Terminüberschreitungen, Vertragsstrafen, aussergewöhnliche Kostensteigerungen usw.) ermittelt und abgeschätzt werden.
Die einzelnen Risikokosten-Bestandteile
Die folgenden Risikokosten-Bestandteile sollten in einer Kalkulation berücksichtigt und kenntlich gemacht werden:
- besonderes Bauwagnis in den EKT ("EKT-Risikokosten"),
- besonderes Bauwagnis in den BGK ("BGK-Risikokosten"),
- allgemeines Bauwagnis in den AGK ("Branchen- bzw. Spartenwagnis") und
- (allgemeines) Unternehmenswagnis (als separat zu erfassender Kostenbestandteil) und nicht als Teil von Wagnis und Gewinn.
Die EKT-Risikokosten berücksichtigen dabei Risiken, die auf gewöhnliche Mengenverluste, Lohn- und Materialpreissteigerungen zurückzuführen sind. Des Weiteren sollten die EKT-Risikokosten gewöhnliche Änderungen bei den Gerätekosten und Kosten von Nachunternehmerleistungen erfassen, sofern sich diese im betrachteten Prognosezeitraum ergeben können. Leistungs- und Aufwandswerte sollten in den EKT dagegen so erfasst werden, dass sie nicht als risikobehaftet gelten. Ausgangspunkt dieser Risikoeinschätzung ist der Kenntnisstand zur Zeit der Erstellung der Kalkulation, von dem aus die Änderungen zur Zeit der Ausführung antizipiert werden. Diese erwarteten Änderungen sind als Risikokosten direkt in den EKT einzurechnen (Bsp.: heutiger Einkaufspreis Bewehrungsstahl: x,- Euro; Bestellung bzw. Einkauf in voraussichtlich in 9 Monaten; Einkaufspreis zum Zeitpunkt der Bestellung: x,- Euro zzgl. vermuteter Preisänderung zum Zeitpunkt der Bestellung von Δ,- Euro). Mittels der EKT-Risikokosten bzw. dem besonderen Bauwagnis in den EKT werden insbesondere erwartete Verluste berücksichtigt.
Die BGK-Risikokosten werden in der Praxis häufig nur deterministisch erfasst, indem ein prozentualer oder absoluter Schätzbetrag eingerechnet wird. Dieser liegt, sofern eine Szenarioanalyse gemacht wurde, meist irgendwo zwischen dem "Best case-Szenario" und dem "Worst case-Szenario". Es liegt sozusagen eine Punktlösung vor, die die Spanne zwischen Best case- und Worst case-Szenarion aber nicht weiter berücksichtigt. Die Einzelrisiken werden bei einem solchen Vorgehen nicht richtig erfasst und analysiert und es kann nur bedingt von einem "Management der Risikokosten" gesprochen werden. Die Risikoaggregation mittels der Monte Carlo-Simulation liefert dagegen eine Verteilung zu den Gesamt-Risikokosten eines Projektes. Statt eines einzelnen Wertes liegt ein Verlauf der Risikokosten bzw. ein Risikoprofil vor, das den Gesamt-Risikokosten Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnet. Für die Angebotspreisermittlung ist aus dieser Verteilung heraus ein einzelner Wert zu bestimmen, der als Ansatz für das "besondere Bauwagnis der BGK" (BGK-Risikokosten) in die Kalkulation zu übertragen ist. Der Vorteil hierbei ist, dass aus der Verteilung heraus genau die Lage des gewählten Kostenansatzes bestimmt, begründet und kommuniziert werden kann. Es liegen so erheblich mehr Informationen vor, um eine fundierte Entscheidung über den Risikokostenansatz zu treffen.
Dies lässt sich wie folgt darstellen:
Quelle: eigene Darstellung
Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass es sich auch bei der Aggregation der Risikokosten mittels der Monte Carlo-Simulation um eine Abschätzung und keine definitive Kostenbestimmung handelt, wie auch Smith feststellt:
"The main purpose is to demonstrate that there is a range of possible outcomes for a project rather than a single value and to show how risk and uncertainty influences that range. It was never the intention, nor is it possible, to treat the results of risk analysis as accurate forecasts of future outcomes. They are better approximations than a single figure estimates with a nominal contingency added. They also lead to better understanding and management of risk." Smith (2006) |
Über die BGK-Risikokosten bzw. dem besonderen Bauwagnis in den BGK werden hauptsächlich Stress-Szenario-Verluste berücksichtigt. Gerade für die Bewertung eines Angebotes können diese für den Auftraggeber von Interesse sein. Erst die quantitative und qualitative Darlegung der BGK-Risikokosten macht ein Angebot zu anderen Angeboten vergleichbar. Bis heute wird dies aber kaum bei der Vergabe berücksichtigt.
Das Branchen bzw. Spartenwagnis ist mittels einer Pauschale zu erfassen, die für einen Kostenausgleich innerhalb der Projekte einer Sparte (bzw. Branche) sorgt. Kleinere "Ausreißerprojekte" einer Sparte, bei denen die angesetzten Herstellkosten zur Projektabwicklung nicht ausreichen, werden über diesen "Risikopuffer" kostenmäßig ausgeglichen und abgedeckt. Dieser Risikokostenansatz sollte für jede Sparte nur so hoch angesetzt werden, dass sich dieser "Puffer" über alle Projekte stets ausgleicht. Der Kostenansatz gehört prinzipiell zu den Herstellkosten, weil es sich um Kosten handelt, die bei den Projekten anfallen. Jedoch sollte dieser Kostenansatz übergeordnet bei den AGK erfasst werden und dem Projekt somit zunächst nicht zur Verfügung stehen. Da die Projekte verschiedener Sparten immer unterschiedlich risikobehaftet sind, ist die Differenzierung nach Sparten wichtig, damit die Projekte von Sparten mit geringeren Risiken, die mit höheren Risiken nicht "subventionieren". Mittels der Sparten- bzw. Brachenwagnisse werden statistische Verluste berücksichtigt.
Das (allgemeine) Unternehmerwagnis ergibt sich aus einer Pauschale, die von der Unternehmensführung vorgegeben wird und jene Risiken abzudecken hat, die aus dem allgemeinen Geschäftsbetrieb der Unternehmung entstehen. Es handelt sich dabei um Kosten, die den AGK zugeordnet werden und zu deren Ausgleich sie heranzuziehen sind. Insbesondere dient das Unternehmerwagnis dazu, Fehlprognosen der AGK abzudecken, die sich aus einem veränderten Konjunkturverlauf oder anderen Unternehmensrisiken eingestellen. Über das (allgemeine) Unternehmerwagnis werden statistische Verluste berücksichtigt.
Von allen aufgeführten Wagnissen (Risiken) sind die BGK-Risiken mit besonderer Sorgfalt zu behandeln. In ihnen summieren sich jene Risiken, die die Einmaligkeit eines Projektes ausmachen und diesem einen Unikat-Charakter geben (spezifische Projektrisiken). Es handelt sich insofern um Risiken, die nur bedingt durch einen historischen Rückblick bewertet werden können, sondern stets ganz neu und projektspezifisch zu ermitteln sind. Sie haben auf das Projektergebnis und auf das Unternehmensergbnis einen großen Einfluss.
"Daher stellen die Projektrisiken bei Unternehmen der Bauwirtschaft die wichtigste Hauptrisikogruppe in Bezug auf die aktuelle/akute Unternehmensgefährdung dar." Busch (2005) |
Gerade an dieser Stelle liegen in der Praxis große Defizite vor, die sich auf beide Vertragsparteien negativ auswirken.
Wenn der Besteller (AG) keine Vorgaben zur Erfassung von Risiken bzw. zum Risikomanagement macht, werden die Bieter (ANs) die Risiken nach eigenem Verständnis interpretieren, einpreisen und im Angebot berücksichtigen. Der Besteller erhält dadurch ganz unterschiedliche Angebote, die nicht direkt vergleichbar sind, da diese bei der Erfassung der Risiken ganz unterschiedliche Leistungen beinhalten, die für den Besteller nicht ersichtlich sind.
Für die Auftragnehmer führt eine rein deterministische Betrachtungsweise der Projektrisiken dazu, dass wesentliche Informationen zur Risikoeinschätzung im einzelnen Projekt, wie aber auch im ganzen Unternehmen nicht vorliegen. Die einzelnen Risiken summieren sich über die Projekte nach oben auf (bottom-up Prinzip) und werden so zu einem Teil der Unternehmensrisiken. Sind die Risiken bzw. Risikokosten in den Projekten jedoch nicht vollständig bekannt, können die Gesamtrisiken des Unternehmens auch nicht ermittelt und angegeben werden. Die monetäre Gesamtrisikobelastung des Unternehmens ist unbekannt.
Literaturquellen
- Reichsverband industrieller Bauunternehmunge e. V. (1929); Selbstkostenermittlung für Bauarbeiten
- Opitz (1940); Selbstkostenermittlung für Bauarbeiten - Teil 1: Anleitung für den Aufbau der Preisermittlung
- Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. (2001); KLR Bau - Kosten- und Leistungsrechnung der Bauunternehmen
- Göcke (2001); Risikomanagement für Angebots- und Auftragsrisiken von Bauprojekten
- Kulkarni (2005); An Algorithm for Decision-Making at the Front-End in International Project Management
- Busch (2005); Holistisches und Probabilistisches Risikomanagement-Prozessmodell für projektorientierte Unternehmen der Bauwirtschaft
- Wiedenmann (2005); Risikomanagement bei der Immobilien-Projektentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Risikoanalyse und Risikoquantifizierung
- Smith (2006); Managing Risk in Construction Projects
- Nemuth (2006); Risikomanagement bei internationalen Bauprojekten
- Dress u.a. (2006); Kalkulation von Baupreisen
- Pinnells (2007); Risikomanagement in Projekten
- Fischer u.a. (2007); Das Auftragsrisiko im Griff
- Cottin et al. (2009), Risikoanalyse
- Gralla (2011); Baubetriebslehre - Bauprozessmanagement
Bearbeitungsstand dieser Webseite: April 2018